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Der Zukunftssprung - Wie du mit Teams und Gruppen an Visionen arbeitest

Christine | VISION SESSION | Die Vision führt uns an  - Der Podcast für visionäre Team- und Organisationsentwicklung

Disclaimer: Die Methode Zukunftssprung ist in meiner Praxis entstanden. Zum Zukunftssprung habe ich bereits Artikel in Fachmagazinen geschrieben (im Text findest du einige Quellen-Angaben dazu) auf Veranstaltungen und in verschiedenen Podcasts gesprochen (darunter u.a. im Podcast Systemisch agil von Martin Schenkenberger und Florian Zapp und im Podcast Workshopmacher von Anja Kässner). Eine Auswahl meiner Veröffentlichungen findest du >>hier.

 

Auch in Fachbüchern wurde die Methode bereits aufgegriffen und sie gehört zu meinen Lehrmaterialien in meinen Online-Kursen und Seminaren. Wenn du auch über den Zukunftssprung schreiben und/oder sprechen möchtest, dann informiere dich bei mir über die aktuellen Nutzungs- und Lizenzrechte, die damit in Verbindung stehen. Eine Nutzung ohne Absprache ist aufgrund dieser Bestimmungen rechtlich nicht möglich. 

 

Der Artikel auf dieser Seite – wie auch alle anderen Artikel auf meiner Website – sind urheberrechtlich geschützt. Bitte bedenke, dass das Vervielfältigen dieses Textes (oder auch nur Auszüge daraus), das Kopieren, das Nachahmen, das Weiterverkaufen, das Nutzen für kommerzielle Zwecke, das Ändern der Inhalte in irgendeiner Weise inhaltlich oder redaktionell sowie die Nutzung geänderter Versionen, ohne meine Erlaubnis eine Urheberrechtsverletzung darstellt.

 

Selbstverständlich kannst du die Methode aber in deiner Praxis anwenden.

Dafür ist sie ja gedacht 😉

 

Wenn du so weit startklar bist, dann lass uns mit den Inhalten loslegen. 


Der Zukunftssprung

Teams haben heute mit enormen Herausforderungen zu kämpfen. Energiekrise, Fachkräftemangel, Klimawandel und digitale Transformation.

 

Bei all diesen Faktoren fragt man sich, wie Führungskräfte und Beschäftigte noch die Möglichkeit erhalten sollen, positiv in die Zukunft zu blicken und ihre Challenges tatkräftigt anzugehen. Eine Antwort darauf bietet die Visionsarbeit. 

 

Um eine Methode der Visionsarbeit soll es heute gehen: Den Zukunftssprung.

 

Dieses Vorgehen kannst du vor allem in Teams anwenden. Wie die Methode genau funktioniert, erfährst du in der Podcast-Folge und hier in diesem Artikel. 

 

 

 


Was sind überhaupt Visionen?

Visionen sind äußerst positive Zukunftsbilder. Wenn sich Teammitglieder gegenseitig von diesen optimistischen Bilder ihrer Zukunft erzählen, entsteht daraus ein neues identitätsstiftendes Narrativ (vgl. Neumann 2022a, S. 16).

 

Visionen sind darüber hinaus ein wertvolles Instrument, um das Wir-Gefühl in einem Team (wieder) zu beleben, Verbundenheit mit der Organisation zu erschaffen und um Orientierung in unsicheren Zeiten zu bieten. Damit fungieren sie wie eine Art Fixstern. (Vgl. Neumann 2022b, S. 31)

 

Um Visionen genauer zu konkretisieren, ist es hilfreich, sie von Zielen abzugrenzen. Ziele sollen bekanntlich smart sein und damit spezifisch (s), messbar (m), attraktiv (a) realistisch (  r) und terminierbar (t). Visionen erfüllen viele dieser Faktoren nicht. Visionen sind nicht spezifisch, terminierbar oder messbar. (Vgl. Neumann 2022b, S. 31)

 

Für jemanden, der eine Vision erschafft, wirkt diese sogar so unrealistisch wie eine Utopie. Genau dies ist es aber, was die positive Kraft einer Vision ausmacht. Dadurch, dass sie so unspezifisch und unrealistisch erscheint, wirkt das Zukunftsbild äußerst attraktiv. Aufgrund ihrer Unschärfe ist die Vision dabei sogar noch viel attraktiver als ein Ziel. (Vgl. Neumann 2022a, S. 16)

 

Visionen wirken zudem auch neurobiologisch. Gerald Hüther spricht hierbei von „neuronalen synaptischen Verschaltungen“, die durch positive Zukunftsbilder erzeugt werden und davon, dass diese schlussendlich unser Handeln, Denken und Fühlen bestimmen (vgl. Hüther 2011, S. 9). Wenn wir auf die Herausforderungen schauen, denen Teams und Organisationen heute ausgesetzt sind, ist es also durchaus wichtig, auf Visionen zu setzen, damit ein proaktives Handeln möglich wird (mehr zur aktuellen Herausforderung Fachkräftemangel erzähle ich in meinem Beitrag: „Bereit für die Zukunft? Mit Visionsarbeit das Morgen gestalten“).


Im Dezember ist mein Buch Visionsarbeit mit Teams und Organisationen erschienen.

 

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Eine Methode der Visionsarbeit mit Teams: Der Zukunftssprung

Der Zukunftssprung ist eine Methode, die im Laufe der Jahre in meiner Praxis entstanden ist. Ursprünglich habe ich Methoden der Visionsarbeit auch im Einzelcoaching genutzt, wie beispielsweise die Arbeit mit dem Future Self (mehr dazu erfährst du in der Podcastfolge: Visionsarbeit im Coaching). Nach und nach habe ich dieses Vorgehen dann abgewandelt und im Rahmen der Team- und Organisationsentwicklung eingesetzt.

 

Die Methode Zukunftssprung orientiert sich übrigens auch an der Methode Lösungszeitsprung  und an dem agilen Tool Solution Talk. Allerdings geht es in diesen Vorgehensweisen eher darum, Lösungen zu kreieren. Um aber ganz in das positive Zukunftsbild eintauchen zu können und eine Vision zu erschaffen, habe ich verschiedene Schritte ergänzt und an vielen Stellen verändert, neue Schritte hinzugefügt und spezifische Formulierungen integriert. 

 

Den Ablauf habe ich zur Abgrenzung der übrigen Methoden dann Zukunftssprung genannt.

Okay, dann lass uns jetzt einmal schauen, wie ich den Zukunftssprung methodisch aufgebaut habe.

Vorbereitungen: Festlegung der Reisezeit

Die Idee dieser Methode ist, dass das Team mit dem wir gerade arbeiten - oder die Abteilung oder Gruppe - gemeinsam in die Zukunft reist. Zu einem Zeitpunkt, an dem bereits alle Lösungen eingetroffen sind. Um tatsächlich mit Visionen zu arbeiten, nutze ich hier die Formulierung, dass die positivste Zukunft eingetroffen ist, die man sich überhaupt vorstellen kann. 

 

Diese Formulierung ist in meiner Praxis entstanden, da ich die Teammitglieder nicht (nur) dazu einladen wollte, Lösungen für ihre aktuellen Herausforderungen zu entwickeln, sondern sie darin zu unterstützen, eine utopische Zukunftsvorstellung zu kreieren. 

 

Im Team wird dann gemeinsam festgelegt, wie viele Jahre man reisen, bzw. springen möchte. Ansetzen lässt sich hier bei einer Reisezeit von 3 Jahren, wobei stärkere Effekte zu erwarten sind, wenn der Sprung größer ist. Eine gute Reisezeit sind meiner Erfahrung nach eher 5 Jahre.

Erster Schritt: Das Zukunftsskript schreiben

Wenn die Reisezeit gemeinsam festgelegt wurde, erhalten die Teilnehmenden Zettel und Stift. Sie haben dann die Möglichkeit, ihre persönliche positivste Zukunftsvorstellung aufzuschreiben. Hierbei darf richtig groß gedacht werden und nicht nur berufliche, sondern auch private Themen beschrieben werden. 

 

Die Teilnehmenden beantworten hierbei folgende Fragen:

 

Die positivste Zukunft, die Sie sich überhaupt vorstellen können, ist eingetroffen. Wie leben Sie heute? Und wie arbeiten Sie heute? Wie sieht Ihre Zusammenarbeit konkret aus?

 

Ihre Ideen dazu, schreiben die Teilnehmenden für sich auf. Wichtig ist, dass nicht alle Dinge, die aufgeschrieben werden, auch später öffentlich gemacht werden müssen. Gerade Beschreibungen, die den privaten Bereich betreffen, dienen eher als hilfreiches Skript, das im Hintergrund wirkt.

 

Dieser Schreibprozess ist ganz häufig eine einfache Sache. Ich bin immer wieder verblüfft, mit welcher Inbrunst und Leidenschaft hier drauf los geschrieben wird. Da wird dann auch schon mal nach einem zweiten Zettel gefragt, es wird überlesen und ergänzt. Wichtig ist nur, diese kreative Zeit auch zu gewähren. Ich arbeite an dieser Stelle zum Beispiel nicht mit Zeitangaben. Sondern mit der Idee: Wenn alle fertig sind, dann sind alle fertig! 

Zweiter Schritt: Der Raumwechsel

Wenn alle fertig sind, wechsle ich mit der Gruppe optimaler Weise den Raum. Dieser Raumwechsel markiert für die Teilnehmenden, dass der Sprung in die Zukunft vollzogen wird. In diesem Sinne entsteht durch den räumlichen Wechsel eine symbolische Markierung vom Hier und Dort. Hier sind wir noch in der Gegenwart und dort sind wir schon in der Zukunft. 

 

Es kann vorkommen, dass ein Raumwechsel nicht funktioniert. Mir passiert das zum Beispiel dann, wenn ich die Übung spontan mache und ich sie nicht vorher abgesprochen habe. Bei schönem Wetter, kann man dann natürlich auch mit der Gruppe ins Freie gehen. Eine weitere Möglichkeit ist zudem, Sitzmöglichkeiten in Stehmöglichkeiten zu verwandeln. Ich muss aber gestehen: Den größten Effekt gibt es bei dem Wechsel des Raumes. 

Dritter Schritt: Aus der Zukunft begrüßen

Sobald alle Teilnehmenden im neuen Raum Platz genommen haben, ist es unsere Aufgabe, die Sitzung neu anzumoderieren. Dieses Mal mit der Idee, dass wir uns in der besagten Zukunft befinden. Dies kann etwa wie folgt aussehen:

 

„Ich begrüße Sie ganz herzlich zu der heutigen Sitzung. Seit wir uns das letzte Mal in dieser Konstellation gesehen haben, ist eine lange Zeit vergangen. Etwa 5 Jahre, nicht wahr? Das letzte Mal, als wir beisammen waren, da haben wir im Rahmen eines Teamentwicklungsprozesses miteinander gearbeitet. Sie haben mir damals berichtet, dass sich Dinge in Ihrem Team und in Ihrer Organisation verändern sollen. Jetzt, nach 5 Jahren, ist ja einiges passiert. Und mich würde nun interessieren, wie es Ihnen geht? Was hat sich in Ihrem Team verändert? Was ist in Ihrem Unternehmen passiert? Wie sehen heute Ihre Arbeitsprozesse und Strukturen aus? Wie gestaltet sich Ihr Miteinander?" 

 

Und dann gebe ich ab. An diesem Punkt steigt die Gruppe ein und berichtet aus der Zukunft heraus, was in den letzten Jahren geschehen ist. Und alle positiven Zukunftsbilder werden dann miteinander geteilt.  Hier entsteht dann nach uns nach das positive Zukunftsbild. All die Geschichten verdichten sich zu einer großen Zukunftsvision, die sogar spürbar und erlebbar wird.

 

An dieser Stelle muss ich ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern, denn ich habe diese Methode schon in so unterschiedlichen Unternehmen, Gruppen und Einrichtungen genutzt, in denen es auch unterschiedliche Herausforderungen gegeben hat.

 

Wie gut der Zukunftssprung funktioniert, hängt auch mit der Gruppengröße zusammen und damit, wie lange wir das Team schon begleiten. Auch die Organisationsform kann eine Rolle spielen. Ich selbst bin recht häufig in traditionellen Organisationen unterwegs, wie Behörden, städtischen Einrichtungen, Schulen oder auch Kommunen. Und gerade hier kann so ein Rollenspiel auch sehr ungewohnt wirken. Also wenn du die Methode nutzen willst, dann überlege vorher gut, wo du sie einsetzen möchtest und mit welchen Herausforderungen du konfrontiert sein könntest. 

 

Ich erinnere mich zum Beispiel an einen Fall mit einer Abteilung, die waren knapp 50 Mann stark. Hier war schon der Raumwechsel an sich eine Herausforderung, denn die Teilnehmenden waren es nicht gewohnt, prozess- oder gruppenorientiert zu arbeiten. Deshalb drohte die Stimmung schon beim Raumwechsel zu kippen. Nachdem dann alle im Zukunftsraum Platz genommen hatten und ich mit meiner Anmoderation aus der Zukunft startete, da blickte ich mit einem Mal in ganz schockierte Gesichter, die mich anstarrten, als hätte ich den Verstand verloren. Im Raum wurde es dann auf einmal mucksmäuschenstill und keiner der 50 Leute sagte irgendetwas. Und das meine ich damit, wenn ich sage, dass diese kleine Methode ungewohnt wirken kann und unterschiedlich herausfordernd für uns als Beratende sein kann.

 

Ich habe mich glücklicherweise damals dazu entschieden, mich zurückzulehnen und habe gesagt: „Lassen Sie sich ruhig Zeit“. Ich habe dann einfach die Stille ausgehalten, bis dann irgendwann jemand das Wort ergriff. Und schon war das Eis gebrochen. Am Ende war der Tag ein voller Erfolg, denn wir haben ganze 2 Stunden in der Zukunft verbracht. 

Vierter Schritt: Erste Strategien ableiten

Für den weiteren Prozess entsteht jetzt ein wunderbares Einstiegsfenster, um nicht nur an den positiven Zukunftsbildern zu arbeiten, sondern um auch Maßnahmen und Strategien zu erfragen, die dazu geführt haben, dieses positive Zukunftsbild zu erreichen. Zum Beispiel frage ich dann irgendwann im Prozess: „Sagen Sie mal, wenn Sie auf die Vergangenheit schauen, was war denn die Initialzündung oder die bewertete Strategie für ihre jetzigen Erfolge?“

 

Die Teilnehmenden haben Ihre Antworten zu diesen Fragen natürlich noch nicht aufgeschrieben. Das heißt, wir verlassen jetzt bewusst das Skript. Die Teilnehmenden werden also bewusst dazu eingeladen, das Skript zu verlassen und ad hoc erste Lösungsschritte zu erfinden. Weitere Fragen, die ich gerne stelle, sind: „Was waren Ihre ersten Schritte, um Ihre positive Zukunft zu erreichen? Wen haben Sie mit ins Boot geholt? Welche wichtigen Entscheidungen haben Sie getroffen?" 

 

Die Teilnehmenden erzählen sich jetzt gegenseitig von ihren ersten Maßnahmen und Strategien, die sie vollzogen haben. 

Fünfter Schritt: Rückkehr in die Gegenwart

Nach dem Zukunftssprung gehen wir wieder zurück in das Jetzt. Dieses Zurückkommen ermöglicht dann die Sammlung von Ergebnissen, wie zum Beispiel die Herausarbeitungen von Strukturen oder Arbeitsgruppen. Manchmal geht es auch um die Schaffung eines gemeinsamen Verständnisses, um eine neue Ausrichtung, um die Entwicklung einer gemeinsamen Haltung oder um die Positionierung auf dem Markt. 

Unterschiedliche Formate

Den Zukunftssprung kannst du in verschiedenen Settings nutzen und mit verschiedenen weiteren Methoden ergänzen. Damit möchte ich dich ermutigen, deinen eigenen Weg der Visionsarbeit zu finden und mit dem Ablauf des Zukunftssprungs zu spielen.

 

In meinen Online-Kursen und Seminaren erzählen auch andere Coaches und Beratende immer wieder gerne davon, wie sie den Zukunftssprung für ihre Zwecke abgeändert haben und welche Effekte dadurch entstanden sind. 

 

Selbstverständlich kannst du ihn aber auch erst einmal so erproben, wie er hier geschrieben steht. Ich wünsche dir ganz viel Freude beim Ausprobieren.

 

Deine Christine 


Quellen:

Hüther, G. (2011): Die Macht der inneren Bilder. Wie Visionen das Gehirn, den Menschen und die Welt verändern, S. 9. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. 

 

Neumann, C. (2022a): „Ich kann die Zukunft kaum erwarten!" - Ein Praxisbeispiel zur Visionsarbeit im Coaching. In: Praxis Kommunikation 6 (2022), S. 16-18. 

Neumann, C. (2022b): Organisationsentwicklung: Aufbruch in eine neue Zeit. In: Magazin Allgemeiner Deutscher Hochschulsportverband 49 (2022), S. 30-32.


Christine Neumann

Hi, ich bin Christine Neumann 

systemische Supervisorin und Coachin, Host des Podcasts Die Vision führt uns an!, leidenschaftliche Visionärin und New Workerin. In den sozialen Medien findest du mich bei instagram: @visionscoachin und facebook: @visionscoachin


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Christine Neumann auf dem Podcast-Cover

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Kommentare: 1
  • #1

    Martin (Freitag, 22 November 2019 15:38)

    Klasse Methode und tolle Stimme.Hat Spaß gemacht.Danke