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Wie du es schaffst, dich auf den Weg zu machen - Interview mit Anja Kässner von Workshopmacher

Christine | VISION SESSION | Die Vision führt uns an! - Der Podcast für visionäre Team- und Organisationsentwicklung

Wie können wir es eigentlich schaffen, uns auf den Weg zu machen? Wie schaffen wir es zu neuen Ufern aufzubrechen? Unseren Job zu wechseln? Oder den Nine-to-five-Job hinter uns zu lassen? Heute habe ich Anja Kässner von Workshopmacher im Interview. Anja kommt aus Köln, ist Digitalstrategin, illustriert, schreibt und gründete noch dazu Workshopmacher. Ihren Weg dorthin beschreibt sie heute im Interview sowie eine Methode, die ihr dabei half, ihre Motive zu klären. Die Methode, die sie auch Scoring nennt, ist weiter unten im Interview aufgeführt. 

 

 

Liebe Anja, bevor ich dich hier vorstelle, magst du dich selbst einmal erzählen? 

Anja: Sehr gerne. Meine aktuelle Tagline ist, dass ich Moderatorin für Workshops bin, dass ich Digitalstrategin bin - also ich berate Unternehmen zu digitalen Strategien - und ich bin Dozentin an zwei Hochschulen zu Kommunikations- und Marketingthemen. Das sind gerade meine drei Schwerpunkte. 

 

 

Die Rolle der Digitalstrategin füllst du ja auch schon eine ganze Zeit lang aus. 12 Jahre sind es mittlerweile, richtig?

Anja: Das stimmt. Ich bin Informatikerin. Aber ich habe nie wirklich als Informatikerin gearbeitet, sondern eigentlich immer Kommunikation gemacht. Vor allem, weil ich einfach gemerkt habe, dass das eher meine Stärke ist. Also Schnittstellen in der Kommunikation zwischen Menschen zu finden.

 

 

Und in den 12 Jahren hast du sicherlich schon viele Teams und Unternehmen kennen lernen dürfen, die sich mit digitalen Themen befassen. 

Anja: Ja schon, ich habe viel gesehen. Ich war viele Jahre lang auf Agentur-Seite und eher beratend unterwegs. Habe da viel mit Konzernen gearbeitet, meistens Automobil. Die Rolle der digitalen Themen hat sich allerdings in der Zeit extrem verändert. Von der Idee, dass es in den Konzernen einzelne Abteilungen gibt, die sich mit digitalen Themen beschäftigen, hin zu dem Gedanken, dass das ganze Unternehmen mit digitalen Themen verknüpft ist. Das ist natürlich ein ganz massiver Wandel. Und diesen Wandel habe ich miterlebt. Und auch, wie sich dabei die Berater-Rolle verändert hat. 

 

 

In diesen Wandel spielen ja auch die bekannten Schlagworte mit hinein, wie z.B. Neues Arbeiten, Purpose oder Agilität. Mit diesen Inhalten bist du dann also auch verknüpft?

Anja: Genau. Es hat dabei so eine organische Entwicklung gegeben. Auch meine Rolle hat sich verändert. Von der Idee, dass man als Berater mit wehenden PowerPoint-Folien zum Kunden geht und dem Kunden erzählt, wie die Welt sein muss. Hinzu einem eher kooperativen Vorgehen, in dem man die Lösung zusammen erarbeitet. Denn der Berater kann es ja nicht wissen. Er ist ja nicht der Experte für die Lösung des Kunden. Also, da hat sich die Rolle ganz massiv verändert. Und das war eben auch der Punkt, an dem ich gesagt habe, okay, ich möchte aus dieser Agenturwelt raus. Denn für mich war das nicht mehr die richtige Form der Zusammenarbeit. Heute sind es eher Workshops, in denen Kunden gemeinsam mit mir Lösungen erarbeiten können. 

 

 

Du hast dich mit Workshopmacher selbstständig gemacht. Also mit Workshops, die an diese Themen herangehen und in denen du mit Kunden kooperativ an Lösungen arbeitest. Magst du uns noch ein bisschen mehr davon erzählen?

Anja: Workshopmacher ist ein lebendiges Konstrukt, das sich immer weiterentwickelt. Und es ist jetzt, wo wir sprechen, ungefähr ein Jahr alt. Die Idee war ursprünglich, dass ich meine Digitalstrategie-Sachen als Workshops anbiete. Und diese Idee hat sich extrem schnell verändert. Heute sind es eher Workshops zu allen Facetten der Digitalisierung. Es geht um Narration, um Kommunikation und Zusammenarbeit. Und Workshopmacher bin ich nicht alleine. Ich suche mir immer wieder Leute, die diese Facetten ausfüllen. Und mit denen ich auch einfach Bock habe zusammenzuarbeiten. Deswegen ist Workshopmacher, so wie es sich weiterentwickelt hat, ein loses Netzwerk an tollen Menschen, mit denen ich zusammenarbeiten darf. 

#1 Wie sich Anja auf den Weg gemacht hat

Wie war denn dein Weg in die Selbstständigkeit? Wie bist du losgegangen?

Anja: Ich wusste vor zwei Jahren nicht, wie mein Weg aussehen würde und was da kommt. Genau vor zwei Jahren war ich noch angestellt und in so einer Phase, in der ich bemerkt habe, dass das alles nicht für mich passt. Workshopmacher wirkt zwar rückblickend so klar. Aber als ich losgegangen bin, war das überhaupt nicht klar für mich. Vor zwei Jahren bin ich völlig überarbeitet in eine Weihnachtspause gegangen und habe die Mauer auf mich zukommen sehen. Und ich habe in der Weihnachtspause für mich die Entscheidung getroffen, dass das so nicht weitergehen kann. Ich habe mir an diesem Punkt die Frage gestellt: "Will ich das in 5 Jahren immer noch machen?". Und die Antwort war NEIN. Und das war für mich so eine kleine Erleuchtung. Daraus habe ich die Energie gezogen, etwas für mich zu ändern. Ich habe gekündigt, ohne zu wissen, was da kommt. 


Anja Kässner von Workshopmacher

Alles war ich wusste war, dass ich jetzt nicht einfach nur den nächsten Job anfangen wollte. Und da gab es auch diese Angst in mir, dass ich das ganz schnell wieder ausfüllen würde. Um das nicht zu tun, habe ich mir ganz bewusst Zeit genommen und bin dabei auf ein Wander-Projekt gestoßen. Ich habe mich dazu entschieden, das zu machen und bin im Frühjahr losgelaufen. Zwei Monate bin ich das Grüne Band abgewandert. 

 

In dieser Phase habe ich überhaupt nicht darüber nachgedacht, was mein nächster Job sein wird. Und ich glaube, dass das total wichtig war. Ganz banal war ich einfach nur da und bin jeden Tag gelaufen. Und auch als ich von der Wanderung zurück kam, hat es schon eine Weile gedauert, bis ich mich mit der Jobfrage beschäftigt habe. 


Ich weiß natürlich, dass das ein totales Luxusmoment ist. Und dieser Punkt ist mir wichtig. Es ist nämlich eine Investition gewesen. Da stand vor zwei Jahren niemand vor meiner Tür und hat gesagt: "Hier, bitte schön! Hier hast du mal ein halbes Jahr frei. Mach was du willst, um herauszufinden, was du machen willst." Sondern, das habe ich entschieden. Und daraus die Folgeentscheidung getroffen. 

#2  Eine Methode: SCORING


Im Vorgespräch hast du ja bereits berichtet, dass du dann eine kleine Methode genutzt hast, um herauszufinden, was du machen willst. 

Anja: Ja, richtig. Als ich wieder zuhause ankam war das Scoring eine Methode, um für mich herauszufinden, was ich kann und was ich will. Ich habe im Rahmen dieser Methode aufgelistet, was mich interessiert. Alles, was ich gut finde. Alles, was ich kann. Und daraus habe ich eine Matrix gemacht und mit einzelnen Punkten bewertet. 

 

Hier der Ablauf im Detail: 

 

1. Was interessiert mich?

Alle Interessensgebiete werden gesammelt aufgeschrieben. Das können ganz unterschiedliche Tätigkeiten sein. Ein Handwerk, lesen, schreiben, sprechen, moderieren, beraten o.ä.  Hier fallen alle Dinge zusammen, die du schon tust oder in Zukunft tun möchtest. Und dabei ist es egal, ob du diese Dinge schon kannst, oder ob du sie in Zukunft beherrschen möchtest. 

 

2. Investition und Auszahlung

In einem zweiten Schritt überlegst du dir Kriterien der Investition und der Auszahlung. Was müsstest du investieren, um diese Tätigkeiten zu beherrschen und in dein Leben zu integrieren? Was ist deine Auszahlung dafür? Investitionen können Zeit und Geld sein. Eine Auszahlung kann ebenso Geld sein -  z.B. im Sinne von Einkommen. Aber auch Spaß und Freude an der Sache oder die Gelegenheit etwas Neues zu lernen. Deine persönlichen Kriterien sammelst du ebenso und schreibst sie auf. 

 

3. Die Bewertungstabelle

Zeichne dir eine Tabelle und schreibe deine gesammelten Tätigkeiten, in die linke-vertikale Spalte. Die Investitionen und Auszahlungen überträgst du in die obere-horizontale Zeile. Anschließend beginnst du mit deiner Bewertung. Für jede Tätigkeit in Kombination mit einer Investition oder einer Auszahlung kannst du Punkte von 0 (niedrig) bis 5 (hoch) vergeben. Musst du viel für eine Tätigkeit investieren, trägst du z.B. eine 5 ein. Aber auch dann, wenn sie dir viel Freude bringt oder ein festes Einkommen sichert. Falls dir die Tätigkeit wenig Spaß machen sollte oder du wenig Zeit, Geld, Geduld oder ähnliches investieren musst, trägst du eine niedrige Zahl ein. 

Scoring-Tabelle
SCORING - Klicke auf das Bild, um es zu vergrößern

4. Prozentuale Zusammenfassung

Anja hat ihrer Tabelle noch eine Spalte für eine zusammenfassende prozentuale Bewertung hinzugefügt. Hierbei hat sie einfach die Punkte jeder Zeile addiert und geschaut, wie viel Prozent sie mit den Punkten zum höchstmöglichen Punktestand erreicht hat. 

#3  Was braucht es noch um loszugehen?

Was hast du denn dann anschließend mit den Ergebnissen des Scorings gemacht?

Anja: Ja, ich hab mir erst einmal angeschaut, wo ich ansetzen kann. Sprechen stand bei mir zum Beispiel bei den Tätigkeiten, die ich ausbauen wollte. Aber zu dem Zeitpunkt hatte ich noch nicht viel damit gemacht. Moderation war aber auch dabei und hatte eine hohe Punktzahl. Und da wusste ich, das ist etwas, wo ich ansetzen kann. Das könnte mein nächster Schritt werden. Ich habe die Methode also als eine Art Sprungbrett genommen, um zu schauen, was ich priorisiere. Was davon nehme ich und was noch nicht. Es hat sicherlich noch eine Zeit gebraucht, bis es ganz klar für mich wurde. Und dafür muss man auch Raum geben können. Damit es wachsen kann und klarer werden darf. So ist dann schlussendlich Workshopmacher entstanden. 

 

 

Was würdest du Menschen raten, die gerne losgehen würden, es aber nicht tun? 

Anja: Ich kann das eintausendprozentig nachvollziehen. Ich war ja selbst in der Situation, dass ich so viel machen wollte und irgendwie nie gemacht habe. Ich kann es total nachvollziehen, dass man Angst davor hat. Wichtig ist aber, klar zu kriegen: Wovor habe ich eigentlich Angst? Ist da wirklich irgendetwas Schlimmes, was passieren kann? Oder sind es vielleicht nur Erwartungshaltungen, die ich an mich selber habe? Was noch wichtig ist, ist das Vorhaben nicht so groß zu machen. Ich tendiere zum Beispiel auch zu dem Gedanken, dass ich gleich alles ändern müsste. Man muss die Dinge nicht sofort komplett tun. Es reicht ja auch erst einmal, wenn ich das eine Stunde am Tag mache. Wenn ich Coach werden möchte, dann muss ich ja nicht gleich meinen Job kündigen. Ich kann das ja auch in einer kleineren Form machen. Also, da auch noch einmal danach zu gucken, welche Form es haben kann. 

 

 

In deiner Geschichte stecken ja schon viele Informationen zu den Voraussetzungen für Veränderungen drin. Du bist in das Ungewisse gegangen und hast damit Ungewissheit ausgehalten. Du hast deinen alten Job losgelassen. Du hast investiert. Was steckt da noch für dich drin? 

Anja: Klarheit würde ich noch anfügen. Sich nicht zu sehr unter Druck zu setzen. Wenn man unzufrieden ist, dann auch zu akzeptieren, dass da was ist. Das ist vielleicht sogar der erste Schritt. Und letztendlich einen Schritt zu gehen. Denn sobald du losgehst, passiert ja schon was. Solange du verharrst, passiert nichts. Ich glaube tatsächlich, sobald man sich so ein kleines Stückchen raus bewegt, kommt auch Resonanz zurück. Und mehr braucht es da eigentlich nicht. 



Anja Kässner von Workshopmacher

Anja Kässner 

ist Digitalstrategin aus Köln. Sie illustriert, schreibt und ist Gründerin von Workshopmacher. Außerdem ist sie Host des Workshopmacher Podcasts, in dem sie mit anderen Workshopmachern über Methoden spricht. Du findest Anja auch bei instagram unter @workshopmacher

 


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Kommentare: 2
  • #1

    Delesa (Dienstag, 18 Februar 2020 11:03)

    Liebe Christine, liebe Anja,
    vielen Dank für diese wirklich inspirierende Podcastfolge. Das scoring kannte ich noch nicht und habe mich gleich daran gesetzt.
    Nun sind zwei Fragen dazu aufgetaucht:
    1. weshalb nimmt Anja 20=100% ? Bei vier Spalten müsste es doch 25=100% heißen?
    2. Mich irritiert es, in die Spalte „Auszahlung Geld“ eine höhere Zahl einzutragen, wenn ich mir die Tätigkeit vorstellen kann, jedoch noch nicht ausführe. Trage ich dann hier eine Wunschauszahlung ein?
    Ganz liebe Grüße
    Delesa

  • #2

    Christine (Dienstag, 18 Februar 2020)

    Liebe Delesa,
    hab vielen lieben Dank für deine Fragen und Anmerkungen. Zu 1. Die Tabelle hier im Blog ist nur ein Beispiel und nicht Anjas tatsächliche Tabelle. Anja hatte zum Beispiel auch andere Tätigkeiten, wie z.B. Sprechen mit aufgeführt und Moderieren. So kommt es auch zu den Unterschieden in der Punktezahl. Und zu 2. Das Scoring ist eher wie eine Momentaufnahme zu sehen. Wenn dir die Tätigkeit jetzt noch nicht so viel Geld bringt, fällt die Auszahlung (und damit auch der Wert) niedriger aus. Das kann sich dann natürlich später ändern. Ich hoffe, das konnte dir kurz weiterhelfen :)
    Herzliche Grüße sendet dir Christine