Christine | VISION SESSION | Die Vision führt uns an! - Der Podcast für visionäre Team- und Organisationsentwicklung
Um Entscheidungen zu treffen nutzen Teams bevorzugt Diskussionen. Sicherlich ist das Kommunikationsformat "Diskussion" in manchen Kontexten hilfreich. Allerdings birgt sie auch Gefahren. Denn wir können uns in Diskussionsprozessen so richtig verlieren, ohne jemals ans Ziel zu gelangen.
Recht häufig verlaufen Diskussionen so, dass Argumente hervorgebracht und verteidigt werden. So entsteht ein Ringen um Ideen, Lösungen und Entscheidungen. Und in diesen Prozessen können sich in den Teams auch bestimmte Positionen herauskristallisieren: Befürworter von Ideen und Lösungen, Skeptiker oder Gegner. In manchen Teams kann es dann auch richtig emotional werden.
Mir persönlich geht es in meiner Arbeit immer um Alternativen. Wie du sicherlich schon weißt, bin ich ein Fan von Neuer Arbeit und damit auch von neuen Kulturen und Praktiken der Zusammenarbeit. Ich mag es sehr, Teams und Führungskräften Alternativen anzubieten, die verbunden sind mit den Prinzipien der Partizipation und der Selbstorganisation. Und die sich damit auch bewusst wegbewegen von den gängigen hierarchischen Strukturen. Noch dazu mag ich es Teams und Führungskräften Alternativen zur Diskussion anbieten. Ja, sicherlich hat die Diskussion auch ihre Berechtigung. Aber es ist auch gut, Alternativen zu kennen und diese vor allem auch nutzen zu können.
Gerade das Entscheidungsspiel nutze ich so gerne in den Prozessen, die ich begleite. Denn daran ist auch meine ganz eigene Vision von gelingender Zusammenarbeit geknüpft. Und meine persönlichen Werte. Und wenn es dir auch darum geht, Teams und Führungskräften Alternativen anzubieten, wenn es dir ebenso um Selbstorganisation und Partizipation geht, wenn du dich gerne dafür stark machst, dann ist diese kleine Methode genau richtig für dich!
Das Entscheidungsspiel
Wenn Teams vor einer Entscheidung stehen, können sie mindestens zwei Optionen beschreiben. Diese zwei Optionen sind die Mindestanzahl. In manchen Teams werden auch schon mal mehrere Optionen genannt. Lass uns jetzt mal eben ein Beispiel nutzen, um die Methode anschaulich zu machen. Lass und mal davon ausgehen, dass ein Team, mit dem du arbeitest, entscheiden möchte, ob es ein neues Projekt aufnimmt und durchführt.
Manche im Team sind von dem neuen Projekt begeistert. Weil sich dadurch neue Möglichkeiten eröffnen. Man vielleicht auf dem Markt sichtbarer wird oder weil man sich vergrößern kann. Andere wiederum stehen dem neuen Projekt skeptisch gegenüber. Sie sehen in dem Projekt eine Zusatzbelastung und Mehrarbeit.
Bevor nun eine Diskussion zwischen den Befürwortern und den Skeptikern beginnt, kannst du das Entscheidungsspiel nutzen, um mit den Beteiligten lösungsorientiert und spielerisch an der Entscheidung zu arbeiten. Und so gehst du dabei vor:
1. Gute Gründe sammeln
Eine der Optionen wird zu Beginn ausgewählt. In unserem Fall beispielsweise die Option das Projekt aufzunehmen und durchzuführen. Die Teammitglieder erhalten nun die Aufgabe, sich zu erzählen, warum diese eine Option die beste Idee ist und auf jeden Fall gewählt werden sollte. Jeder und jede beginnt dabei den Satz mit: "Es ist die beste Idee für uns das Projekt durchzuführen, weil..." Das ist die einzige Formulierung, die hierbei erlaubt ist. Sozusagen die Spielregel in diesem Entscheidungsspiel. Die Teilnehmenden sammeln so alle guten Gründe das Projekt aufzunehmen und durchzuführen. Es gibt kein Abwägen, kein Wider. Es gibt nur das Pro und nur das Für.
Im Team wird dabei gesammelt und gesammelt. Und die Teammitglieder erzählen sich sowas wie "Es ist die beste Idee, das Projekt umzusetzen, weil wir dann auf dem Markt besser wahrgenommen werden." - "Und es ist die beste Idee, das Projekt umzusetzen, weil wir dadurch neue Kooperationspartner gewinnen." - "Und es ist die beste Idee das Projekt umzusetzen, weil wir damit die Möglichkeit haben, die Expertise von manchen Kollegen und Kolleginnen besser einzusetzen."
Und erst wenn alles ausgesprochen ist, wird die zweite Option gewählt. Und dann beginnt der Ablauf wieder von vorne. Wieder geht es darum, dass sich die Teammitglieder erzählen, warum nun die zweite Option die beste Idee ist. In diesem Fall hier also, warum es die beste Idee ist, das Projekt nicht umzusetzen. Alle steigen erneut in die Runde ein und sammeln. "Es ist die beste Idee das Projekt nicht umzusetzen, weil uns die nötigen Kapazitäten dafür fehlen." - "Und es ist die beste Idee das Projekt nicht umzusetzen, weil uns der Kooperationspartner Vorgaben macht, mit denen wir nicht einverstanden sind." Und so weiter und so weiter.
Und falls es weitere Optionen gibt, dann erfolgt nach dieser Runde eine weitere. In dieser wird dann beschrieben, warum die dritte Option die beste Idee ist.
Wie du sicherlich bemerkst: Wir steigen bei diesem Vorgehen bewusst aus dem Abwägen aus, indem sich alle gegenseitig nur die Vorzüge erzählen. Es gibt keine Gegenargumente mehr und die Positionen im Team aus Befürwortern und Skeptikern wird aufgeweicht.
2. Beobachtungen teilen
Wenn alles gesagt wurde und auch die letzte Runde beendet ist, tauchen wir gemeinsam in das Beobachten ein. Es ist nämlich so, dass sich die Runden unterscheiden. Zum Beispiel im Sprechtempo und in der Geschwindigkeit, in der sich die Teilnehmenden mit ihren Redebeiträge aneinander anschließen. Und auch die Atmosphäre verändert sich in den Runden. In manchen Runden wird es ruhiger, in anderen wird gelacht, in manchen entsteht eine Schwere und es fällt schwer überhaupt die Vorzüge zu beschreiben. Und diese unterschiedlichen Atmosphären bilden nun den interessanten Teil. Denn mit dem Team schauen wir nun auf den Prozess. Welche Unterschiede konnten in den Runden wahrgenommen werden? Wie haben sich die Runden angefühlt? Diese Beobachtungen werden jetzt erzählt, gesammelt und miteinander geteilt. Und anhand dieser Beobachtungen wird dann eine Entscheidung gefällt.
Meine Erfahrung dabei ist: Das geschieht dann sehr, sehr schnell und ganz natürlich. Denn die Entscheidung wird nun auf der Grundlage eines Gruppenphänomens gefällt. Und eine Diskussion oder eine bestimmte hierarchische Position ist hierbei nicht mehr notwendig. Die verschiedenen Stimmungen der Runden machen den Unterschied. Den entscheidenden Unterschied! Hieraus trifft sich die Entscheidung fast schon wie von selbst.
Okay, klein aber fein! Also, trau dir gerne zu, bei den gängigen Diskussionen reinzugrätschen und das Spiel sozusagen reinzuholen. Bewusst als Alternative zu nutzen. Meine Erfahrung ist, dass das Entscheidungsspiel sehr, sehr gerne angenommen wird und es eine große Offenheit dafür gibt. Ich denke, die Menschen aus all den Teams und Organisationen sehnen sich ebenso nach Alternativen. Denn sind wir mal ehrlich: Diskussionen können echt zäh und anstrengend sein. Und das Schöne an dieser Methode ist: Jeder wird gehört. Jeder und jede bringt die eigenen Ideen mit ein. Alle geben etwas rein und alle sind an diesem Gruppenphänomen beteiligt. Das allein macht schon ganz viel aus.
Und noch dazu finde ich wichtig: Die Teams können diese Methode natürlich auch ohne Begleitung nutzen. Sie ist ganz leicht adaptierbar. Und ich muss gestehen, auch das mag ich gerne an Methoden und Vorgehensweisen. Wenn Teams nicht auf Externe angewiesen sind. Und wenn sie nach dem Erproben der Übung den Eindruck haben: Das können wir jetzt auch selbst machen.
Die Methode im Einzelsetting
Eine Ergänzung habe ich noch für dich. Denn du kannst diese Methode auch im Einzelsetting nutzen. Zum Beispiel im Führungscoaching. Gehen wir mal davon aus, dein Coachee möchte eine Entscheidung fällen. Er überlegt, ob er in eine andere Abteilung wechseln soll. Er fragt sich "Soll ich gehen oder soll ich bleiben?" Nach dem Zuhören kannst du ihm die Methode anbieten. Der einzige Unterschied im Einzelsetting ist, dass du es nun bist, der in den Runden die guten Gründe der einzelnen Optionen sammelt. Wenn dein Coachee Lust hat mit dir in diese Übung einzusteigen, dann beginnst du und sammelst für ihn, warum es die beste Idee ist, in der Abteilung zu bleiben. Anschließend gehst du dann in die zweite Runde und sammelst alle guten Gründe dafür, warum es die beste Idee ist, dass der Coachee die Abteilung wechselt.
Und erst nach den Runden holst du den Coachee wieder ins Gespräch und fragst ihn nach den Unterschieden, den er in den Runden wahrgenommen hat.
Ich kann dir sagen, auch im Einzelsetting ist die Methode wunderbar effektiv. Manchmal berichten Coachees davon, dass sie Traurigkeit gespürt haben oder Freude und Glück. Das Denken gerät in den Hintergrund. Das Gefühl wird stark gemacht. Und genau das erleichtert schlussendlich die Entscheidungsfindung.
Ausblick
Ich finde ja, bei den Themen Neues Arbeiten und Neue Formen der Zusammenarbeit, muss es nicht immer gleich um die ganz großen Konzepte gehen. Deine Haltung wird wird auch in kleinen Übungen, Tools und Methoden sichtbar und setzt hierbei Impulse. Du kannst mit einer so kleinen und einfachen Methode, wie beispielsweise mit diesem kleinen Entscheidungsspiel, einen großen Unterschied machen. Ein Fenster zu Neuer Arbeit öffnen. Es ist doch schon mal ein wichtiger Schritt, wenn Teams erst einmal die Erfahrung machen können, wie sich andere Formen der Zusammenarbeit überhaupt anfühlen.
Mit dieser Methode möchte ich dich auch gerne auffordern, den bekannten Spielen nicht immer mitzuspielen. Ein anderes Spiel anzubieten. Einen Unterschied zu machen, egal ob er nun klein oder groß ist. Und deine Haltung damit bewusst sichtbar zu machen.
Viel Freude wünsche ich dir dabei.
Bis zum nächsten Mal, deine Christine.
Hi, ich bin Christine Neumann
systemische Supervisorin und Coachin, Host des Podcasts Die Vision führt uns an!, leidenschaftliche Visionärin und New Workerin. In den sozialen Medien findest du mich bei instagram: @visionscoachin und facebook: @visionscoachin
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