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Jenseits der reinen Gewinnmaximierung

Purpose als nachhaltiger Erfolgsfaktor - Interview mit Frederic Simon von On Purpose Berlin

Christine | VISION SESSION | Die Vision führt uns an! - Der Podcast für visionäre Team- und Organisationsentwicklung

In diesem Interview spreche ich mit Frederic Simon von On Purpose Berlin. Frederic ist kaufmännischer Geschäftsführer bei On Purpose und setzt sich dafür ein, Purpose als Erfolgsfaktor in unserem vorherrschenden Wirtschaftssystem zu etablieren.

 

Wir sprechen darüber, warum es heute für Unternehmen so wichtig ist, sich mit dem Thema Purpose auseinanderzusetzen. Warum diese Auseinandersetzung auch eine gesellschaftliche Relevanz besitzt. Und auch, was es bedeuten kann, wenn wir persönlich ein höheres Ziel in den Mittelpunkt unseres Berufslebens stellen. Frederic erzählt dabei von seinem Weg und von der Arbeit, die On Purpose leistet. 


Purpose als nachhaltiger Erfolgsfaktor

Lieber Frederic, erzähle gerne einmal, wer du bist und was du machst.

 

Frederic: Seit 2017 leite ich mit meiner Kollegin Jessica Hopp den Standort von On Purpose in Berlin. On Purpose ist ein Sozialunternehmen, was in der Personalentwicklung für den sozialökologischen Sektor tätig ist. 

 

Ich selbst habe aber einen ganz anderen Hintergrund. Ich bin ursprünglich gelernter Touristiker und habe lange in diesem Sektor als Prokurist und Bereichsleiter gearbeitet. Vor 4 Jahren bin ich eine Neuausrichtung angegangen. Habe ein Coaching gemacht zur beruflichen Neuorientierung und mich sehr stark mit meinen Werten beschäftigt.  


Das habe ich gemacht, weil ich in mir eine Unzufriedenheit gespürt habe. Und ich wusste nicht, wo die überhaupt herkam. Durch das Coaching habe ich festgestellt, dass sich die Werte, die ich für mich als relevant und wichtig empfunden habe, immer mehr von meinen beruflichem Weg entfernt hatten. 

 

Ich habe dann selbst an dem On Purpose-Programm teilgenommen. Und am Ende bin ich auch geblieben. Als die damaligen Gründer des Standorts in Berlin entschieden hatten wegzugehen, und dann nach Nachfolgern suchten, war das für mich keine lange Überlegung. 

 

Woran hast du das bemerkt, dass deine Werte mit deiner Tätigkeit nicht mehr übereinstimmten?

Frederic: In mir drin gab es über einen längeren Zeitraum erst einmal grundsätzlich den Wunsch nach Veränderung. Ich konnte aber noch nicht so genau verorten, woher dieser Wunsch kam. Viele Rahmenbedingungen in der Touristik waren ja auch sehr schön. Ich finde auch, dass die Touristik ein toller Beruf ist. Für andere Menschen die schönste Zeit des Jahres zu gestalten hat mir Spaß gemacht. Bei mir brauchte es einen Anschub von außen. Ich hatte einen privaten Schicksalsschlag zu durchlaufen. Das sind dann so Momente, wo man anfängt das große Ganze zu hinterfragen. Zu überlegen, warum ist man eigentlich da. Gleichzeitig bin ich damals zum ersten Mal Vater geworden. Wo man dann auch überlegt, was man hinterlassen will. Diese Fragen wurden für mich immer präsenter. 

 

Und wie bist du dann zu On Purpose gekommen?

Frederic: Ich würde sagen, On Purpose ist zu mir gekommen. Es war tatsächlich eher zufällig. Ich habe mich damals zum ersten Mal ganz bewusst mit dem sozialen Sektor auseinandergesetzt. Ich habe mit vielen Menschen gesprochen, die in sozialen Einrichtungen gearbeitet haben. Und auch nachgefragt, wie deren Weg war, um zu erfahren, wie man sich neu ausrichten kann. Dann habe ich von On Purpose erfahren und fand das spannend. 

 

Wie würdest du denn heute den Begriff Purpose beschreiben? 

Frederic: Purpose ist inzwischen ein starkes Buzzword. Das muss man leider sagen. Es gibt dazu wahnsinnig viele Definitionen. Für mich ist Purpose der Grund, warum etwas existiert. Und auch, warum etwas getan oder gemacht werden sollte. In diesem Sinne ist Purpose eigentlich ein Zweck oder ein Ziel. Wenn man das jetzt auf die Arbeit anwendet, dann gefällt mir persönlich die Vorstellung, dass das, was wir als Arbeit tun, etwas Größerem dient als nur uns selbst. Man kann sich dazu die Frage stellen: Trägt das, was ich tue, irgendwie dazu bei, ein gesellschaftliches Problem oder eine ökologische Herausforderung zu lösen? Oder: Bin ich durch das, was ich tue, indirekt daran beteiligt, dass andere wiederum diese Wirkung erzielen können? Es bedeutet für mich, das große Ganze abseits der reinen Gewinnmaximierung im Auge zu haben. 

 

Würdest du sagen, dass wir als Menschen überhaupt glücklich werden können, wenn wir das große Ganze nicht beachten? Zum Beispiel könnte ich ja auch sagen: Ich möchte einfach nur reich werden und jedes Jahr meinen Gewinn verdoppeln. 

Frederic: Das fällt mir schwer, das so grundsätzlich für andere Menschen zu beantworten. Für mich persönlich würde ich antworten: Nein. Deswegen habe ich mich auch entschieden, einen anderen Weg zu gehen. Ich würde es trotzdem nicht ausschließen, dass Menschen ihr Glück anders definieren als ich. Ich glaube aber, dass es elementar wichtig ist, heute anders zu denken. Gerade weil wir vor so großen Herausforderungen als Menschheit stehen. Wenn wir das nicht begreifen, dann fahren wir den Karren vor die Wand. Wir hinterlassen nachfolgenden Generationen keinen lebenswerten Planten, wenn wir jetzt nicht mit größtmöglicher Anstrengung einen Turnaround schaffen.

 

Also ist es viel mehr auch Pflicht dem nachzugehen?

Frederic: Es ist schon auch ein gewisses Pflichtbewusstsein gegenüber den nachfolgenden Generationen. Auch gegenüber denen, die benachteiligt sind in unserer Gesellschaft. Ja, das sehe ich schon so.

 

Ich habe dich in einem anderen Interview auch einmal sagen hören, dass Purpose ein Erfolgsfaktor für Unternehmen werden sollte. 

Frederic: Ja, absolut. Ich glaube auch, dass sich deswegen viele Unternehmen damit beschäftigen. Weg von diesen kurzfristig ausgedachten Unternehmensstrategien mit dem ausschließlichen Fokus auf Shareholder-Value. Und hin zu einer langfristigen Ausrichtung auch auf eine Stakeholder-Orientierung. Genau das führt zu einer wirtschaftlichen Resilienz. Also es ist aus betriebswirtschaftlichen Gründen etwas, das schon empfehlenswert ist.

 

Aber auch im Zuge des War for Talents müssen sich auch mehr und mehr Organisationen mit dem Thema Purpose auseinandersetzen. Sie müssen schauen, wie sie Talente jenseits von monetären Anreizen gewinnen und langfristig binden können. Und Unternehmen, die sich entsprechend neu aufstellen, die Klarheit für sich in ihrer eigenen Vision entwickeln, die werden diesen Anspruch von allen Stakeholder-Gruppen spüren. Kund*innen, Mitarbeiter*innen, Entscheidungsträger*innen, Investor*innen werden an den langfristigen Ausrichtungen mehr und mehr Interesse haben und da auch Druck ausüben. Aus meiner Sicht ist dieser Trend gekommen, um zu bleiben. 

 

Larry Fink, der CEO von BlackRock, dem weltweit größtem Vermögensverwalter, ist sicherlich nicht bekannt als ein Vorreiter von New Work oder von Nachhaltigkeitsbewegungen. Aber wenn selbst ein Larry Fink schon sagt, dass der Kapitalismus in mancherlei Hinsicht zu weit gegangen ist. Und dass Unternehmen gar keine andere Wahl hätten, als sich eine tiefgreifende Mission zu geben, wenn sie erfolgreich sein wollen. Dann sehen wir wirklich, dass grundsätzliche Veränderungen anstehen. 

 

Purpose kann ja tatsächlich auch dazu führen, dass wir effektiver, produktiver oder resilienter werden. Dabei fokussieren wir das selbst gar nicht, wenn wir dem Purpose folgen, oder? 

Frederic: Ja, ich denke es ist schon so, dass das Hand in Hand gehen kann. Alleine schon Talente langfristig an sich zu binden. Wenn ich im Team und in der Organisation eine Vision authentisch lebe und tagtäglich versuche, meine Arbeit daran auszurichten, dann ist das etwas, das sich sicherlich auch auf die Senkung von Fluktuationsraten auswirkt. Das ist mein persönlicher Eindruck. Aber es ist nicht die Motivation, warum ich das tun sollte. Es ist eher etwas, was dadurch mit erreicht wird. 

 

Vielleicht magst du uns noch ein bisschen was zu On Purpose erzählen?

Frederic: On Purpose ist davon überzeugt, dass wir eine Veränderung in der Wirtschaft brauchen. Wir brauchen vor allem eine Wirtschaft, die allen eine Teilhabe ermöglicht. Und die im Rahmen der begrenzten Ressourcen unseres Planten und ohne die Ungerechtigkeiten von heute funktioniert. Um diesen Veränderungsprozess zu bewirken, ist es wichtig, dass Menschen diesen anstoßen.

 

Wir wollen bei On Purpose mit Menschen so arbeiten, dass sie ihren Beitrag dazu leisten und mitgestalten können. Wir sprechen Leute an, die an einem Punkt in ihrer Karriere angekommen sind, wo sie Veränderungen suchen. Das sind oftmals Menschen, die aus der freien Wirtschaft kommen. Und die auf der Suche nach einem Job mit Sinn sind. Wir verbinden sie mit Organisationen, die entsprechend ausgerichtet sind. Und die sich positiven gesellschaftlichen Wandel auf die Fahne geschrieben haben. 

 

Bei On Purpose gibt es ein einjähriges Programm. Magst du davon mal erzählen? 

Frederic: Ja, genau.  Es ist ein einjähriges Programm, das aufgeteilt ist in zwei große Säulen. Das eine sind Arbeitseinsätze in diesen Organisationen. Und die andere Säule ist ein umfassendes Weiterbildungsprogramm. Das besteht aus einem Mentoring, aus einem Coaching und wöchentlichen Trainings. Das heißt, wir wollen die Menschen nicht nur zu einem Karrierewechsel bringen, sondern wir wollen sie auch darin befähigen, dass sie dann später, für die Organisation, Verantwortung übernehmen können. Und darüber hinaus eben auch diesen Sektor stärken und Teil einer Bewegung werden, die Veränderung herbeiführen soll.  

 

Was sind das denn für Organisationen, mit denen ihr kooperiert?

Frederic: Das sind Organisationen, die entweder soziale, ökologische oder auch gesellschaftlich-demokratische Veränderungen herbeiführen wollen. Und das oftmals mit unternehmerischen Herangehensweisen. Wir arbeiten beispielsweise mit gemeinnützigen Vereinen, mit Stiftungen, mit Trägern der Wohlfahrt. Aber auch mit Sozialunternehmen, wie z.B. Soulbottles, die sich dem Kampf gegen Plastik verschrieben haben. Noch dazu gibt es Organisationen, die eher der klassischen Wirtschaft angehören, wie z.B. Finanzdienstleistungsinstitute. Da denkt man vielleicht auf den ersten Blick: Was haben die jetzt mit Sinnhaftigkeit zu tun? Aber auch diese Organisationen machen sich auf eine Reise und richten sich neu aus. Wir wissen natürlich nicht, was der richtige Weg für jemanden ist, der sagt, er sucht den Sinn. Oder er sucht seinen Weg. Deswegen wollen wir auch eine möglichst breite Palette an verschiedenen Organisationen und Themen zur Verfügung stellen. 

 

Dieses Programm ist sicherlich auch eine Investition. Also die Teilnehmenden investieren Zeit und Geld auch für ihre eigene tiefgreifende Veränderung. 

Frederic: Ja, das ist auch ein bestimmtes Mindset, was die Teilnehmenden ganz häufig mitbringen. Also auch überprüfen zu wollen: Was ist mir wirklich, wirklich wichtig? Um Frithjof Bergmann hier zu zitieren. Wir bemerken ganz häufig, dass Zeit selbst einen unglaublichen Wert hat. Viele Teilnehmende sagen nach dem Programm: Ich habe jetzt einen neuen Job. Und hast du schon gehört? Ich arbeite nur noch 4 Tage in der Woche. Ich habe jetzt freitags frei.

 

Also es geht weg von dieser alten Denke "höher, schneller, weiter ". Und hin zu einem: Was ist mir eigentlich wichtig? Was will ich für mein Leben? Und vielleicht auch gar nicht so grundsätzlich, sondern für die jetzige Situation. Was fühlt sich jetzt gerade passend für mich an? 

 

Frederic, welche Vision führt dich eigentlich an?

Frederic: Ich glaube daran, dass die kompetentesten Menschen sich da engagieren sollten, wo gesellschaftlicher Mehrwert kreiert wird. Wenn jetzt die Besten daran arbeiten, unsere gesellschaftlichen Herausforderungen zu lösen, dann können wir die Katastrophe - oder das, was auch immer da auf uns zukommt - tatsächlich auch abwenden. Das ist meine Überzeugung. Und deshalb möchte ich dazu beitragen, dass Menschen, die sich engagieren wollen und die sich die nötigen Kompetenzen erarbeitet haben, das da tun, wo alle davon profitieren. Die Hoffnung habe ich einfach, dass wir als Menschen rechtzeitig diesen Turnaround hinbekommen. Ganz persönlich ist es so, dass ich einfach Spaß daran habe, mit solchen Menschen zu arbeiten.

 


Frederic Simon von On Purpose

Frederic Simon

ist seit 2017 kaufmännischer Geschäftsführer von On Purpose in Berlin. Er setzt sich u.a. dafür ein, Purpose als Erfolgsfaktor im heutigen Wirtschaftssystem zu etablieren. Weitere Informationen zu On Purpose und zu Frederic findest du unter: www.onpurpose.org/de/

 

 




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